13 Jahre nach dem letzten „Test Drive“ ist Mitte September der heiß ersehnte, nächste Videospiel-Titel der Reihe auf den Markt gekommen: „Test Drive Unlimited: Solar Crown“. „Test Drive“, das ist eine legendäre Rennspielreihe, die es seit immerhin 1987 gibt – mit unterschiedlich qualitativ guten oder schlechten Spielen in den ganzen Jahren. Doch in diesem Jahr wurde die Reihe mit Wucht von der Strecke in die Botanik gefahren.
Das Autorennspiel wurde, wie mittlerweile viele Spiele, mit einem Advanced Access verkauft, der es Spielerinnen und Spielern gegen eine Zuzahlung von bis zu 30 Euro auf den Originalpreis von 60 Euro ermöglichte, das Spiel bereits bis zu sieben Tage vor dem Erscheinen zu spielen. Das Ding heißt dann „Gold-Paket“ und macht uns Spieler Glauben, wir würden da etwas Besonderes an Land ziehen oder in eine besondere Gunst kommen. Das Problem ist jedoch: Selten sind Spiele vor dem Release fertig. Im Gegenteil: Sie haben Grafikfehler, Serverprobleme und fiese Bugs – so auch bei „Test Drive Unlimited: Solar Crown“.
Spieler schimpften also bei Reddit, Twitch und Steam über frustrierende Serverabstürze, Zugangsprobleme und vor allem über eine nicht vorhandene Kommunikation. Das besserte sich leider auch zum offiziellen Release nicht. Erst zwei Wochen später meldete der französische Spieleentwickler Kylotonn, er habe die vielen, vielen Reaktionen aus der Community wahrgenommen und arbeite nun an einem ersten großen Patch, der bis zu 300 Fehler auf einen Schlag behebe. Am 30. September wurde der Patch ausgeliefert, die Server runtergefahren, und über mehr als 10 Stunden konnte sich niemand in dem MMO-Spiel einloggen, das nun mal eine ständige Verbindung zu den Servern nötig macht, um es spielen zu können.
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Ist nun alles gut? Nein, leider nicht. Noch immer gibt es viele Fehler und einiges Negative an diesem Spiel. Es gibt jedoch auch ein bisschen Hoffnung, und wir haben gesagt: Wir schreiben auf jeden Fall eine Rezension zu diesem Spiel. Wir zeigen das Für und Wider, und vor allem: Wir geben Kylotonn und „Test Drive“ eine Chance, das Spiel mit einem großen Patch zu dem zu machen, was es schon bei Erscheinen hätte sein sollen, ein spielfähiges Rennspiel in der Tradition der„Test Drive“-Serie. Erst danach fangen wir an zu schreiben. Dieser Punkt ist jetzt gekommen.
Worum geht’s in „Test Drive Unlimited: Solar Crown“?
In einem Autorennspiel geht es natürlich um... man mag es kaum glauben: Autorennen. In diesem Fall rasen wir über Hongkong Island, das 1:1 nachgebildet wurde. Über die gesamte Insel sind zahlreiche Solar-Crown-Rennen verteilt, die es zu gewinnen gilt. Mal sind es Rundkurse, mal Sprints oder Querfeldein-Rennen. Die Varianz ist groß und wird nicht so schnell langweilig. Es geht durch enge Straßen, über das Hafengelände oder auf die höchsten Berge und an die schönsten Strände, und das zu unterschiedlichen Tageszeiten und bei herrlichem odem fiesem Wetter.
Wir können uns ans Steuer von Automarken wie Ferrari, Lamborghini, Bugatti oder Koenigsegg setzen, aber auch allerlei Klassiker wie Citroen 2CV oder Mercedes 300 SL (das ist der mit den Flügeltüren) kaufen und fahren.
Später gibt es auch Geländewagen, und die braucht man auch. Und natürlich gibt es allerlei Nebenaufgaben, zum Beispiel das auch bei „Need for Speed“ beliebte Rasen durch Radarfallen oder das Suchen von Autoteilen für geheimnisvolle Extra-Autos.
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Zu Beginn entscheiden wir uns für einen von zwei Clans („Sharp“ oder „Street“) und heimsen fortan Ruhm für unseren Clan ein. Je mehr Ruhm und gewonnene Rennen, desto mehr Geld für bessere Autos und schwierigere Rennen.
Wer außerdem nicht wie der letzte Lump hinterm Steuer sitzen will, der kann sich in Shops gegen Spielgeld allerlei Outfits kaufen. Manche von ihnen sind sogar „episch“ oder „legendär“. Was daran so toll sein soll, haben wir aber noch nicht entdeckt. Wir setzen unseren Fokus deshalb lieber auf unsere Autos.
Kleiner Tipp: Lasst euch nicht von euren Träumen leiten und nehmt zu Beginn (man kann zwischen drei Autos wählen) nicht den Ford Mustang GT oder den Alpine A110, sondern den Nissan 370 Z. Der Mustang ist vor allem schnell, der Alpine hat ein starkes Kurvenverhalten, und der Nissan verbindet beides. Wir haben natürlich den Mustang genommen und bei den ersten Rennen ordentlich geflucht.
Was uns nicht gefallen hat
Uns ist ja klar, dass „Test Drive Unlimited: Solar Crown“ von einem für Spieleschmieden eigentlich kleinen Team aus rund 90 Leuten und mehr als sechs Jahre entwickelt wurde. Uns ist auch klar, dass ein solches Team nicht gleichzusetzen ist mit Entwicklern wie Ubisoft („The Crew: Motorfest“), Playground Games („Forza Horizon“) oder ähnlich großen Buden. Aber dennoch hat sich Kylotonn nicht mit Ruhm bekleckert. Denn was alle Entwicklerstudios, ob klein oder groß, drauf haben sollten, ist eine ehrliche Kommunikation mit den Menschen, die ihre Spiele spielen und dafür bereit sind, zum Teil beträchtliches Geld auszugeben. Das ist Kylotonn nicht geglückt.
Und wir fragen uns auch: Dieses Desaster zum Advanced Access, dieses Desaster bei der offiziellen Veröffentlichung, das konnte man vorher nicht absehen und dem entgegensteuern? Auch nicht durch die zwei Beta-Tests, die es im Vorfeld gab? Das will uns nicht so recht in den Kopf. Aber schauen wir uns mal die Details an, die uns auch nach dem Patch noch kolossal nerven:
Zunächst die Serverabbrüche: In der Advanced-Access-Zeit, die wir auch voll mitgenommen haben, hatten wir nicht mal die Chance, uns ins Spiel einzuloggen. Das hat sich definitiv verbessert, aber noch immer gibt es plötzliche Abbrüche von Rennen, noch immer gibt es Hinweise, das Spiel könne gerade nicht speichern, noch immer hat man das Gefühl, der soeben erspielte Erfolg sei beim nächsten Spielstart weg. Und so erkunden wir die Karte von Hongkong Island, entdecken Werkstätten und Tankstellen, die uns als Schnellreisepunkte dienen, und beim nächsten Spielstart müssen wir die alle neu entdecken. Das nervt.
Besser wäre es, wenn man den Online-Zwang wegnähme und uns allen ein Offline-Spiel genehmigen würde, natürlich mit der Möglichkeit, online gegen andere Spieler anzutreten. Aber die Entwickler wollen nicht von ihrem Online-Spiel abrücken, erklärten sie in ihrem Entwicklertagebuch bei Youtube. Daran ist also offenbar derzeit nicht zu rütteln.Dann: die Rennen. Wie, bitte, kann man aus früheren Rennspielen nicht lernen, dass KI-Autos, die wie auf Schienen stets davonrasen, keine gute Idee sind, um fordernden Spielspaß zu erzeugen?
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Auch nach dem großen Patch, der das Balancing verbessern sollte, haben wir trotz bestem Auto oft das Nachsehen. Selbst wenn die Balance jetzt so eingestellt ist, dass wir auch mal an den ersten Plätzen schnuppern können, hängt uns die KI an der Stoßstange, versucht mit allen Mitteln an uns vorbeizukommen, prescht durch die Botanik und zersplittert mühelos die Leitpfosten, die uns selbst zumindest ein wenig Geschwindigkeit gekostet hätten, schert auf die Ideallinie ein und rast davon. Eine Beschleunigung, von der wir nur träumen können.
Natürlich mögen wir es, wenn wir in Rennen von der KI gefordert werden, aber „Test Drive Unlimited“ verspielt hier eine wichtige Chance, auch Rennspiel-Einsteigern die Rennen über die Insel schmackhaft zu machen. Da muss Kylotonn dringend ran.
Schön aber: Treffen sich zufällig echte Spielerinnen und Spieler in den Rennen, hupen sie sich vor dem Rennen Mut zu. Wir alle gegen die KI-Boliden.
Nach dem Rennen stehen die Gewinner neben ihren Autos und zeigen Gesten, die wohl Jubel ausdrücken sollen. Auf Platz 1 immer wieder die KI-Fahrer Dallas oder Kyle – wir haben schon eine Hasskappe auf beide und würden diese Ergebnis-Jubel-Anzeige gerne möglichst schnell überspringen. Geht aber nicht. Im Gegenteil: Sind wir nicht auf einem der ersten drei Plätze, springt die Anzeige dann um auf unsere Platzierung und unsere Figur und unser Auto. Überspringen? Sorry, leider nicht möglich. Wir müssen uns das angucken. Ebenso kann man das ganze Kameragefahre zu Beginn des Rennens nicht überspringen. Aber man kann die Zeit zum Hupen nutzen. Das ist ja auch schon was.
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Und wenn man im Rennen schon hoffnungslos abgeschlagen auf den hinteren Plätzen unterwegs ist (Kyle natürlich auf Platz 1), dann will man das Rennen vielleicht lieber neu starten. Aber wählt man „Neustart“, landet man nicht etwa wieder kurz vor dem Countdown, sondern in der Vorauswahl der Autos. Man muss also erneut das Auto auswählen, den Fahrmodus, die richtigen Reifen, vielleicht noch ein Downgrade, weil das Auto für das Rennen zu stark ist, dann kurzer Ladebildschirm, dann Kamerafahrt um das Starterfeld (hupen!!), dann Countdown, und das Rennen startet. Das versteht „Test Drive“ unter einem Neustart. Wir eher nicht so.
Kommen wir mal zur Optik von „Test Drive Unlimited: Solar Crown“: Man muss sich leider von dem Gedanken verabschieden, dass das ein Spiel mit Hochglanz-Optik ist. Das ist es nämlich wirklich nicht, da gibt es Rennspiele, die wesentlich besser aussehen. Wem das wichtig ist (uns nicht so), sollte zu anderen Spielen greifen.
Außerdem fällt nach wie vor auf, wie leer Hongkong Island ist. Es gibt keine Fußgänger und nur sehr wenige Autos in diesem Spiel. Lastwagen scheint es auf Hongkong Island überhaupt keine zu geben – sehr seltsam. Ein bisschen mehr Verkehr wäre nicht verkehrt. Auch auf dem Wasser wäre das nicht schlecht, denn Hongkong hat ja auch einen großen Hafen. Nur Schiffe fahren da nicht. Das alles ist aus technischer Sicht wahrscheinlich nachvollziehbar, geht aber zulasten der Stimmung. Immerhin sind die städtischen Bereiche bei Nacht toll beleuchtet.
Was uns gefallen hat
Gefallen hat uns, dass diese Clan-Geschichte nicht allzu viel Raum einnimmt im Spiel. Ja, wir entscheiden uns zu Beginn für einen der beiden Clans. Die „Sharps“ sind die konservativen, hochnäsigen und reichen Menschen mit aufpolierten Luxusautos, und die „Streets“ sind für Straßenrennen und ganz besonders fürs Tuning zu begeistern. Die schrauben halt noch selbst, die „Sharps“ lassen schrauben. Wir haben ab und zu in deren Hauptquartier anzutanzen, aber ansonsten lassen die uns ziemlich in Ruhe. Wer also eine tolle Story-Erfahrung sucht, wird hier nicht fündig.
Die Autos fahren sich unterschiedlich, sie klingen unterschiedlich (auch die Hupen, ganz wichtig) und sie haben für Autofreaks nette Zusatzgimmicks, die wir etwas befremdlich finden: Wir können die Blinker setzen und sogar die Fensterheber betätigen.
Was wir bei den Autos auch mögen: Sie sind ganz schön teuer. Damit verhindert das Spiel, dass man sich einen riesigen Fuhrpark aufbaut aus etlichen Fahrzeugen, und sorgt dafür, dass wir uns jeden Autokauf gut überlegen. Dafür können wir mit jedem Auto Testfahrten machen, um herauszufinden, ob sie für uns taugen. Das ist auch unbedingt zu empfehlen, denn „Test Drive“ versteht sich ein bisschen mehr als Sim-Racer und weniger als Arcade-Racer. Realistische Schäden aber gibt es nicht.
Unser Fazit zu „Test Drive Unlimited: Solar Crown“
Wir haben wirklich große Hoffnung in das Spiel gesetzt, und noch immer wollen wir sie nicht ganz aufgeben, weil wir glauben, dass das Spiel mit Feuereifer noch zu etwas werden kann. Aber Kylotonn muss sich beeilen und wirklich gute Arbeit machen. Es gibt schon einen Plan für weiteren Content bis ins nächste Jahr, die Entwickler planen also durchaus mit mehr. Aber um dieses Mehr erfolgreich machen zu können, müssen die ganzen Startschwierigkeiten behoben werden, muss auf die Community gehört werden, muss die Kommunikation besser werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt aber hat uns „Test Drive Unlimited: Solar Crown“ verloren und wir können hier leider keine Kaufempfehlung abgeben, auch wenn uns dabei gerade ein wenig das Herz blutet, weil wir so sehr auf ein grandioses „Test Drive“ gehofft hatten.
„Test Drive Unlimited: Solar Crown“ ist seit dem 12. September 2024 für PlayStation 5, Xbox Series X|S und PC erhältlich und kostet rund 60 Euro. Wir haben die PS5-Version getestet.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, das Spiel sei mit einem Early Access auf den Markt gekommen. Richtig ist, dass es mit einem sogenannten Advanced Access erschienen ist. Early Access dagegen bedeutet, dass man Spiele in einem frühen Entwicklungsstadium kaufen kann, das zwar spielbar, aber noch nicht fertiggestellt ist. Mit den Einnahmen können die (zumeist Indie-)Entwickler ihre Arbeit fortsetzen und aufgrund der Fehlerhinweise und Vorschläge aus der Games-Community stetig bis zum echten Release verbessern. Das war bei „Test Drive Unlimited: Solar Crown“ nicht der Fall. Wir haben die entsprechende Stelle unseres Textes korrigiert.